Mutter Köhm öffnet seine modrigen Pforten

Wer oder was ist eigentlich ‘Mutter Köhm’? Bei diesem Namen handelt sich einerseits um einen Magenbitter, und andererseits um eine Spelunke die einmal zum Hotel Bender in Dortmund gehörte.

Postkarte mit dem Logo des Likörs ‘Mutter Köhm’

Das obige Bild zeigt das Etikett-Logo des Magenbitters auf einer Postkarte die wahrscheinlich in der gleichnamigen Kneipe erworben werden konnte.

Aber wo war diese Kneipe? Hotel Bender stand bis 2011 an der Burgwall-Unterführung und die Kneipe gehörte ursprünglich zum Hotel. Auf dem Foto unten sieht man den Abriss des Hotels. Es entstand in einer kritischen Phase als die Außenwand auf die Bahngeleise zu fallen drohte. Damals wurde die Strecke nach Hamm für einen Tag voll gesperrt.

Man erkennt hinter den Containern das Erdgeschoss des Hotels. die Kneipe ‘Mutter Köhm’ ist hier nicht sichtbar - sie war als schlauchartiges Gebilde zwischen Bahndamm und Hotel eingeklemt

Panorama aus der Serie ‘Bender geht’. Das Bild zeigt das Gebäude während des Abriss von der Stadtseite her gesehen.

Hotel und Kneipe befanden sich am Übergang zur Nordstadt - dort war in der Mitte des 20. Jahrhunderts das Vergnügungs- und Prostitutionsviertel Dortmunds. hinter der Bahnunterführung schlossen sich noch weitere Spelunken an - quasi zur Einstimmung auf einen bunten Abend. Das folgende Panorama zeigt eine Ansicht von der anderen Seite der Bahnlinie im Jahr 2005

Die Burgwall-Unterführung von der Nordstadt her gesehen

Neben zwei Dönerbuden ist noch die Werbung eines Erotik-Shops und der Kneipe ‘Bei Ernie’ zu erkennen, einer Spelunke in der Ernie darselbst hinter der Theke stand und es mit der Hygiene mitunter nicht so genau nahm. Man sieht das die Gebäude recht barackig sind - sie wurden nach dem Krieg schnell errichtet und nicht weiter modernisiert da das Gelände von der Bahn für eine Streckenverbreiterung beansprucht wird. Die Kneipe, um die es in diesem Text geht ist wieder nicht zu erkennen. Sie liegt unter der Brücke auf der anderen Seite der Unterführung. Man musste bereits zu den Zeiten als der Laden noch in Betrieb war sehr genau hin sehen denn es war eher ein Ort zum ‘dran vorbei gehen’. Der Laden hatte wenig Einladendes und das was aus der Tür torkelte hat diesen Eindruck nicht verbessert - bis zur Schließung im Jahr 2006 war ‘Mutter Köhm’ ein Refugium der ‘Borussenfront’ - geschlossen wurde das Gewerbe angeblich nach einer Kneipenschlägerei. Das Foto unten zeigt die Burgwall-Unterführung und den versiegelten Eingang zu ‘Mutter Köhm’

unter der Brücke der Burgwall-Unterführung im Jahr 2020 - das Bild wurde bei einem Kamera-Test aufgenommen um die Tiefenschärfe einer Kamera zu erfassen

Anfang 2024 hat irgendjemand die Tür zu der ehemaligen Spelunke eingetreten - es ergab sich für mich die Möglichkeit, diesen Ort wegen mangelnder Bausicherung fotografisch zu besuchen. Die entstandenen Panoramen sprechen von Verwüstung und Trostlosigkeit. Der Ort ist für die ältere Generation von Dortmundern die Erinnerung an den Auftakt einer unterhaltsamen Nacht in der Norstadt. Verwüstung und gut zwanzig Jahre permanente Feuchtigkeit haben alles verschwinden lassen was vielleicht mal schön war. Wahrscheinlich war das hier bereits zu seinen guten Zeiten nicht weiter als ein dunkles Loch.

Das Hotel Bender, zu dem die Kneipe gehörte, war in der Nachkriegszeit als Neubau angetreten, das erste Haus am Platze zu sein. Von der Reihenfolge her war es das wahrscheinlich, aber mit der Wiedererrichtung der anderen Hotels ließ sich dieser Anspruch nicht lange halten. In den Siebzigern des letzten Jahrhunderts erlangte es noch einmal Berühmtheit weil hier die Mannschaft der Borussia nach Heimspielen mit Saus und Braus feierte und übernachtete. Danach verwandelte es sich langsam in ein Stundenhotel und zum Schluß in ein Obdachlosenasyl das nach einem Brand geschlossen wurde.

Bei all diesen mehr oder minder glamourösen Erinnerungen sollte man nicht vergesen das der Namensgeber und Besitzer des Hotel Bender im Dritten Reich eine Vorzeigekarriere als Mitglied der NSDAP durchlaufen hatte. Man hatte ihm von der Partei abgeboten den Bierverlag für die Dortmunder Zechen zu übernehmen, was ein extrem gutes Auskommen bedeutete. Er kam in dieser Zeit auch zu einer Schnapsbrennerei, welche Marken wie eben ‘Mutter Köhm’ und den ‘Bollermann’ hervorbrachte. Außerdem war er durch die Partei mit der Überwachung und Organisation der Prostitution in der angrenzenden Nortdstadt betraut. Hierdurch hat er sich den Titel ‘der König vom Steinplatz’ errungen.

Nach dem Krieg zog er sich zwar aus der öffentlichen Wahrnehmung zurück, regelte die Geschicke des Hotels und seine ‘Geschäftsbereiche’ aus dem dritten Reich allerdings bis zu seinem Tod in den frühen achtziger Jahren weiter. Diese Details geben den positiven oder sentimentalen Erinnerungen an das Hotel und die ‘Mutter Köhm’ Stuben einen eigenartigen Beigeschmack. Aufarbeitung von NAZI-Vergangenheit sieht anders aus.

Wer mehr über das Hotel Bender und andere Hotelbauten an der Adresse, Burgtor 4, erfahren möchte, kann darüber in einem Artikel der Nordstadtblogger nach lesen ‘KLICK’

Über den Hotelier Hans Bender und seine eigenartige Rolle in Dortmund gibt es einen sehr interessanten Nachruf eines seiner Enkel im Archiv der Züricher Zeitung ‘KLICK’