Angefangen hatte alles mit einer Zeitungsmeldung: ‚Das ehemalige Pornokino ’StudioX’ wird abgerissen. An seiner Stelle soll ein einfallsloser Neubau in Form eines Hochkant-Quaders gebaut werden…‘ So, oder so ähnlich stand es in der Lokalzeitung.
Ich hatte mich mit der Immobilienfirma in Verbindung gesetzt um nach einer Erlaubnis zu fragen, das Innere des Gebäudes fotografieren zu dürfen. Nicht, das mein Herz an diesem Bau gehangen hätte, aber Einrichtungen, wie Pornokinos verschwinden zusehends von der Landkarte und da ich ein Lost Places-Fritzi bin, kann ich mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen, diese Relikt, lokaler Belustigung zu fotografieren und dokumentieren.
der Zugang zum Gebäude stellte sich als problemlos heraus - natürlich hafte ich ganz allein für meine Schäden, aber das war dann auch schon die einzige Auflage.












Ich kannte den Laden von den frühen nuller Jahren - da habe ich ein mal in Vertretung des Kollegen, der sich sonst um die Technik des Kinos kümmerte, einen der Projektoren wieder zum Laufen gebracht. Das Kino hatte damals noch einen großen Zuschauerraum, in dem in einem für die Besucher nicht nachvollziehbaren Wechsel Hetero- und Homotitel vom Projektor vorgeführt wurden. Die Bude hatte damals etwas Bizarres - um nicht zu sagen: normalerweise erzeuge ich mit Arbeitsklamotten und Werkzeugkoffer keine gesteigerte Aufmerksamkeit…
Das der Laden 2017 schloss, hatte ich nicht so wirklich mit bekommen, sonst hätte ich sicher schon viel eher versucht, in dem Gebäude Fotos zu machen. So sollte es eben im April 2024 geschehen - der Abriss des Gebäudes war absehbar, aber außer, das in der Zwischenzeit jemand alles von Verkaufswert entnommen hatte, war nicht viel passiert. die Immobilie war weitgehend von Vandalismus verschont geblieben und die Obdachlosen die es sich in ein paar der Räume eingerichtet hatten, konnten dort anscheinend auch ungestört existieren. Das Kino hatte keinen Strom und keine Heizung mehr. Das war wahrscheinlich auch der Grund weswegen die Leute nicht weiter in den Komplex hinein gegangen waren.
Das spätere StudioX war zu seinem Start nach dem zweiten Weltkrieg zuerst als ‘Europa-Kino’ auf den Trümmern des Deccla-Kinos als großes Einsaal-Kino gebaut worden. Mit über 900 Sitzplätzen und der bis in die achziger Jahre größten Leinwand der Stadt was es ein herausragendes Lichtspielhaus und Premierenkino. Mit der ersten Welle des Kinosterbens in Deutschland kam der Betrieb, auch durch Rückschläge im privaten Bereich des betreibenden Ehepaars, in finanzielle Bedrängnis. Die Immobilie wurde an einen neuen Betreiber verkauft, der in ehemals ersten Haus am Platze ein Erotik-Kino eröffnete. Damals lag das Haus mitten im Dortmunder Vergnügungsviertel und man versprach sich durch den Wechsel in dieses, damals noch neue Genre, eine wirtschaftliche Zukunft. Eine ganze Weile liefen in diesem Kino Erotik-und Pornofilme von 35mm Projektion in einem riesigen Zuschauerraum. Es gab mehrere Besitzerwechsel und Umbauten. In den nuller Jahren wurde der große Kinosaal in vier kleinere aufgeteilt. In drei der Säle liefen Filme von Projektion - damals wurden Video-Beamer so langsam erschwinglich - und in einem der Viertel entstanden Video-Kabinen für Einzel-Besucher. Das Kino wandelte sich in einen rein männlich genutzten Ort. Die Besucher bekamen durch einen ehemaligen Nebeneingang des Kinos Zugang und wurden durch labyrinthisch anmutende Gänge zu einer Kassentheke geführt und von da aus weiter zu den Kinosälen. Zum Zeitpunkt der Umstellung lief der Betrieb noch mit Videorekordern - später wurde auf DVD umgestellt. 2017 war über Nacht Schluss mit dem Kino - offiziell wegen Konkurs. Allerdings fiel die Schließung auf den Tag an dem das Gesetz zur ’Besteuerung von Vergnügungsflächen’ inkraft trat. Was in der politischen Darstellung ein Gesetz zur besseren Erfassung von Prostitution sein sollte, entpuppte sich für Betriebe wie das StudioX, mit fast 1000 Quadratmetern Zuschauerraum als betriebliches Desaster. Ein wirtschaftlicher Betrieb war schlicht nicht mehr möglich.
Bis Ende 2014 war das Kino ein gern besuchter Lost-Place und ein Refugium für Obdachlose. Wie ich erfuhr, war das Gebäude anfangs sogar noch mit Strom und fließendem Wasser versorgt. Im April 2024 war das aber schon lange vorbei. ich musste mir für meine Aufnahmen in den fensterlosen Räumen eigenes Licht mit bringen. Ich fand eine Immobilie vor, die weitgehend von Vandalismus verschont geblieben war. Der von mir erstellte virtuelle Durchgang zeigt einen Ort, der den Anschein macht als könne er quasi sofort wieder in Betrieb genommen werden.
der Eingang des StudioX von der Münsterstraße her
Neben den Üblichen Einrichtungen, die solche Kinos zu bieten haben, ist das Innere des StudioX mit ‘aufmunternden’ Graffitis im Stil der Nuller Jahre geschmückt. Es war ein ziemlicher Akt, die Wandverzierung im Ganzen zu erfassen da der Gang nicht breit genug für ein Übersichtsfoto war. Ich habe sie letzten Endes aus mehreren Einzelbildern zusammen gesetzt.




Die Erfassung der gesamten Immobilie hat drei Tage in Anspruch genommen. Danach war ich froh, nicht mehr da rein zu müssen. Irgendwann hat man auch den Geruch feuchten Mauerwerks satt.